Aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur tariflichen Ausschlussfrist
Unterliegt eine Forderung einer tariflichen Ausschlussfrist, welche verlangt, dass ein Anspruch gegenüber dem Vertragspartner innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich geltend gemacht werden muss, so reicht es nicht aus, wenn der Anspruch innerhalb der Frist eingeklagt wird. Sollte die Zustellung an den jeweiligen Vertragspartner nicht innerhalb der Ausschlussfrist durch das Gericht erfolgen, so greift die Ausschlussfrist ein und der Anspruch verfällt. Entscheidend ist, dass die Klage oder das Anspruchsschreiben innerhalb der geregelten Verfallfrist beim Vertragspartner eingeht. Dies bestätigt das Bundesarbeitsgericht in einer neuen Entscheidung.
Über die Wichtigkeit und Gefährlichkeit von Ausschlussfristen/Verfallfristen hatte ich bereits mehrfach geschrieben. Grundlegende Informationen über Ausschlussfristen finden Sie hier. Das Bundesarbeitsgericht hatte nunmehr einen Fall zu entscheiden, bei dem erneut deutlich wird, wie gefährlich diese Fristen sind.
Arbeitnehmer klagt auf Entgeltdifferenz
Im zu entscheidenden Fall hatte ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber eine Entgeltdifferenz für den Monat Juni 2013 eingeklagt. Aufgrund des anwendbaren Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis allerdings, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Der Arbeitnehmer hatte im vorliegenden Fall zwar noch vor dem Ablauf der Ausschlussfrist geklagt, die Zustellung erfolgte jedoch erst im Januar, also zu spät.
Die Vorinstanzen hatten der Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hat sodann entschieden, dass auf den Zugang beim Anspruchsgegner (also beim Arbeitgeber) abzustellen sei. Zwar sehe § 167 ZPO insbesondere für die Verjährung vor, dass eine rechtzeitige Klageerhebung genüge, sofern die Klage sodann alsbald zugestellt wird. Dies hatte der Kollege, welcher die Lohnklage eingereicht hat, voraussichtlich auch im Sinn. Allerdings ist § 167 ZPO auf den Fall der Einhaltung einer einstufigen tariflichen Verfallfrist nicht anzuwenden, wenn diese lediglich die schriftliche Geltendmachung beim Arbeitgeber/Vertragspartner verlangt.
Verlangt die Ausschlussfrist im Rahmen einer zweistufigen Frist sodann die Klage, sollte der Vertragspartner trotz Aufforderung nicht zahlen, ist dies für diese Form der Geltendmachung anders zu bewerten. § 167 ZPO wäre anwendbar. So war es hier aber nicht. Die Ausschlussfrist verlangte lediglich die schriftliche Geltendmachung beim Arbeitgeber. Die Klage ging zu spät dem Arbeitgeber zu, der Arbeitnehmer konnte sich nicht auf eine Rückwirkung nach § 167 ZPO berufen und die Klage hatte allein aus diesem Grund keinen Erfolg.
Ausschlussfristen im Tarifvertrag können eine große Gefahr für Arbeitnehmer sein
Dieses Urteil macht erneut deutlich, wie gefährlich tarifliche Ausschlussfristen für Arbeitnehmer sind. Häufig sind diese Ausschlussfristen meinen Mandanten gar nicht bekannt. Dennoch gilt: Wer zu spät dran ist, verliert seinen Anspruch und damit den Prozess allein aus diesem Grund. Der Arbeitnehmer hätte sich im vorliegenden Fall zunächst schriftlich an den Arbeitgeber wenden müssen. Dies macht bei genauerer Betrachtung auch Sinn. Die Frist verlangt zunächst eine Geltendmachung beim Vertragspartner, eine Klage ist insofern noch gar nicht erforderlich und soll vermieden werden. Erst wenn der Vertragspartner nach der Geltendmachung den Anspruch – den er ja gegebenenfalls einfach übersehen hat – ablehnt, ist die Klage nötig.
Wenn nun dennoch sofort geklagt wird, so trägt der Arbeitnehmer das Risiko, dass das Gericht nicht innerhalb der von der Ausschlussfrist genannten Frist zustellt. Für den Fall, dass dennoch die sofortige Klage beschritten werden soll, empfehle ich diese sodann parallel schriftlich dem Arbeitgeber selber zuzustellen mit der Aufforderung, den eingeklagten Anspruch zu erfüllen. In diesem Fall ist durch dieses Aufforderungsschreiben dann auch die Ausschlussfrist gewahrt, unabhängig davon, wann das Gericht die Klage zustellt.
Lars Kohnen
Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 16.03.2016 – 4 AZR 421/15