Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes Baden-Württemberg vom 20.07.2016
In dieser Entscheidung hat sich das LArbG Baden-Württemberg im Schwerpunkt mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen die durch den Einsatz eines Detektivs aufgedeckten Tatsachen als Beweismittel im Kündigungsschutzprozess verwendet werden können. Einschlägig war hier § 32 I des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG).
32 I BDSG lautet:
„Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungs-verhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Zur Aufdeckung von Straftaten dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zur Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten an dem Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.“
Fraglich war insbesondere, ob der Arbeitgeber die Anforderungen des Satzes 1 der Vorschrift oder des Satzes 2 der Regelung zu beachten hat und ob der Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes gleich einem Verdacht einer Straftat behandelt werden müsse.
Kündigungsschutzklage gegen fristlose Kündigung
Das LArbG entschied über die Berufung der Beklagten einer Kündigungsschutzklage. Folgende Konstellation lag dieser Klage zugrunde: Der Kläger war seit über 30 Jahren Mitarbeiter im Stanzformenbau der Beklagten. Ersterer war seit 2014 zeitweise und seit Januar 2015 dauerhaft arbeitsunfähig krankgeschrieben. Im Zeitraum zwischen Januar und März 2015 bezog der Kläger noch Entgelt von der Beklagten, seit März 2015 dann Krankengeld.
Nachdem zunächst schon im Jahre 2014 eine ordentliche Kündigung wegen der Krankheit ausgesprochen und wieder zurückgenommen worden war, kündigte die Beklagte dem Kläger im Juni 2015 außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich. Diese zweite Kündigung stützte sich einerseits auf den Verdacht wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeiten und andererseits auf den Verdacht des Erschleichens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Erster Verdachtsmoment erhärtet sich
Der Verdacht basierte zunächst darauf, dass die Beklagte das Fahrzeug des Klägers während einer Arbeitsunfähigkeitsperiode im Februar 2014 auf dem Firmengelände der Söhne des Klägers gesehen hatte. Die Firma der Söhne war im Jahre 2013 gegründet worden und bediente dasselbe Geschäftsfeld eines Teils der Firma der Beklagten. Daraufhin schaltete die Beklagte einen Detektiv ein, der den Wagen mehrmals jeweils in Zeiträumen, in denen der Kläger krankgeschrieben war, auf dem Gelände beobachtete.
Nachdem die Konkurrenzfirma im Mai 2015 eine E-Mail an Kunden der Beklagten verschickt hatte, in der sie offen mit den Fähigkeiten des Klägers prahlte, schaltete die Beklagte den Detektiv erneut ein. Dieser konnte den Kläger in der Folge tatsächlich im Betrieb seiner Söhne beim arbeiten beobachten. Aufgrund dieser Beobachtung betrachtete die Beklagte den Kläger als überführt, einen schweren Wettbewerbsverstoß und des Weiteren einen vollendeten Betrug in Form des Erschleichens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen begangen zu haben.
Grundsätzlich Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung ausreichend
Trotz der Beteuerungen des Klägers, die Aussagen des Detektivs seien nicht zutreffend, gab das Arbeitsgericht der Beklagten zunächst Recht. Dagegen ging der Kläger mit dem Rechtsmittel der Berufung vor mit dem Hinweis, die Überwachung sei rechtswidrig gewesen.
Das LArbG führte zunächst grundsätzlich aus, dass eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 BGB dann rechtmäßig sei, wenn Tatsachen vorlägen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Parteien die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden könne. Auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung könne grundsätzlich ausreichen. Sowohl eine Konkurrenztätigkeit, die eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers im Sinne des § 241 II BGB, als auch ein Erschleichen von Entgelt trotz vorgegebener Krankheit wären schwerwiegende Pflichtverletzungen, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen könnten. Ein Verdacht müsse hierbei auf Tatsachen gestützt sein, die das Vertrauen in den Vertragspartner zerstören würden. Darüber hinaus müssten alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung erbracht worden sein. Ein Verdacht gehe somit über eine bloße Vermutung hinaus.
Aussage eines Detektivs als Beweismittel, § 32 BDSG
Da in dem konkreten Fall der Verdacht auf der Aussage eines Detektivs beruhte, hatte das LArbG zu prüfen, ob diese im Prozess verwendbar war. Die Zivilprozessordnung kenne kein ausdrückliches Verwertungsverbot, allerdings seien die Gerichte an die Beachtung der wesentlichen Grundrechte gebunden. Hier sei insbesondere Art. 2 I GG zu beachten, der das Recht eines jeden Menschen auf informationelle Selbstbestimmung garantiere.
An die Erhebung von persönlichen Daten, müssten daher strenge Auflagen geknüpft werden. Konkretisiert wurden diese im BDSG. Einschlägig sei hier der § 32 I BDSG. Im konkreten Fall müssten die Voraussetzungen des Satz 2 vorliegen. Demnach wäre eine Erhebung der personenbezogenen Daten nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen würden, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen habe.
Eine schwerwiegende Vertragspflichtverletzung sei keine Straftat. Das Erschleichen von Entgelt aufgrund eines Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit dagegen sei regelmäßig ein vollendeter Betrug und somit eine Straftat. Allerdings gingen konkrete Verdachtsmomente ausschließlich aus der Überwachung aus dem Mai 2015 hervor. Zu diesem Zeitpunkt erhielt der Kläger allerdings schon kein Gehalt mehr von der Beklagten, sondern lediglich Krankengeld. Es sei also nur ein Betrug gegenüber der Krankenkasse dankbar gewesen. § 32 BDSG beziehe sich allerdings nur auf Straftaten im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses, wobei eine solche nicht vorgelegen habe. Damit sei die Überwachung rechtswidrig gewesen und die Aussage des Detektivs nicht verwertbar. In Konsequenz daraus hat das LArbG der Berufung des Klägers stattgegeben.
Fazit
Im Grundsatz ist ein konkreter Verdacht einer schweren Vertragspflichtverletzung ein rechtmäßiger Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung. Ist dieser konkrete Verdacht aber auf die Erhebung von personenbezogenen Daten gestützt, ist maßgeblich, ob § 32 I BDSG berücksichtigt wurde. Ist dies nicht der Fall, ist das fragliche Beweismittel im Zivilprozess nicht verwertbar. Es ist insofern zu unterscheiden zwischen einer Vertragspflichtverletzung und einer Straftat.
Quelle: LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2016, 4 Sa 61/15