Urteil des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 11. August 2016
In dieser Entscheidung beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit den besonderen Pflichten öffentlicher Arbeitgeber gemäß § 82 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX). Dieser Paragraph beschreibt unter anderem die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber, schwerbehinderte Bewerber auf eine bei den Agenturen für Arbeit gemeldeten vakante Stellen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Die Entscheidung gibt nun Aufschluss über die Frage, ob schon das Nicht-Einladen zu einem Vorstellungsgespräch die Vermutung einer Diskriminierung begründet.
Bewerbung wegen angeblich offensichtlicher fachlicher Nicht-Eignung abgelehnt
Folgender Sachverhalt lag zu Grunde: Die beklagte Stadt hatte im Jahr 2013 die Stelle eines „Technischen Angestellten für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik“ ausgeschrieben. Zur geforderten Qualifikation für Bewerber wurde unter anderem folgendes genannt:
„Dipl. Ing. (FH) oder staatlich geprüfter Techniker oder Meister im Gewerk Heizungs-/Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation;…“.
Der schwerbehinderte Kläger hat sich in Folge auf die Stelle beworben. Er ist unter anderem ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, sowie geprüfter Umweltschutztechniker im Fachbereich „Alternative Energien“. Trotz dieser Qualifikationen wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und die Stelle anderweitig besetzt. Begründet wurde diese Entscheidung durch die Stadt mit dem angeblich offensichtlichen Fehlen einer fachlichen Eignung des Bewerbers.
Vermutung der Ablehnung wegen Behinderung
Der Kläger war wiederum der Meinung, er sei nicht offensichtlich fachlich ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle und es sei zu vermuten, dass das Unterlassen einer Einladung zum Vorstellungsgespräch mit seiner Behinderung zusammenhinge. Dies hätte einen Verstoß gegen den § 82 SGB IX bedeutet und den Kläger zur Forderung einer Entschädigungszahlung berechtigt.
Nachdem der Klage erstinstanzlich, sowie in Berufung stattgegeben wurde, hat auch das BAG die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts bestätigt. In vorliegendem Fall könne man nicht von einer offensichtlichen Nicht-Eignung ausgehen, eine Befreiung der Einladungspflicht gemäß § 82 Satz 3 SGB IX sei somit nicht gegeben.
Fazit
Nur bei wirklich offensichtlich fehlender Eignung entfällt die Pflicht öffentlicher Arbeitgeber, schwerbehinderte Bewerber zu einem Bewerbungsgespräch einzuladen. Unterlässt der öffentliche Arbeitgeber eine Einladung, obwohl zumindest eine Möglichkeit der Eignung angenommen werden kann, ist der Benachteiligte gemäß § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) berechtigt, eine Entschädigung zu verlangen.
Quelle: BAG, Urteil vom 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 -, Pressemitteilung Nr. 42/ 16