Mit seinem Urteil vom 24.02.2016 (Az. 5 AZR 425/15) hat das Bundesarbeitsgericht abermals Klarstellungen zur Berechnung des sogenannten Annahmeverzugslohns getroffen.
Was ist ein Annahmeverzugslohn?
Als Annahmeverzugslohn bezeichnet man den Arbeitslohn, den Arbeitnehmer erhalten, wenn sie ihre Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten, dieser die Arbeitskraft aber nicht annimmt. Gesetzlich ist er in § 615 BGB.
Kündigungsschutzklage und Annahmeverzug
Ein Standardfall ist der Annahmeverzugslohn bei einer unwirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen von einem Kündigungsschutzprozess. Durch die Kündigungsschutzklage gibt der Arbeitnehmer nämlich zu verstehen, dass er weiter arbeiten möchte und von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgeht. Die Ansicht des Arbeitgebers geht natürlich genau entgegengesetzt. Er geht von einer wirksamen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.
Nimmt der Arbeitgeber die Dienste aber nicht an, weil er sich auf den Standpunkt stellt, er habe wirksam gekündigt, befindet er sich im sogenannten Annahmeverzug. Vorausgesetzt natürlich die Ansicht des Arbeitnehmers war richtig und die Kündigungsschutzklage hat Erfolg. Dies ist auch einer der Hauptgründe/Bemessungskriterien für die Zahlung von Abfindungen. Aber auch im laufenden Arbeitsverhältnis kann es zu Annahmeverzugslohnansprüchen kommen, beispielsweise im Rahmen von Freistellungen.
Berechnung bei Arbeitslosengeld und Arbeitslohn
Geregelt ist die Vergütung bei Annahmeverzug des Arbeitgebers wie gesagt in § 615 BGB. Hiernach kann ein Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt (sog. Annahmeverzug). Der Arbeitnehmer muss sich jedoch das abziehen lassen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.
Wird im Falle einer Kündigung diese durch das Arbeitsgericht als unwirksam bewertet, muss der Arbeitgeber also grundsätzlich rückwirkend den vollständigen Lohn zahlen, abzüglich dessen, was der Arbeitnehmer an Arbeitslosengeld (sollte der Arbeitnehmer keine neue Stelle gefunden haben) erhalten hat.
Sollte der Arbeitnehmer zwischenzeitlich eine neue Stelle angetreten haben und normalen Arbeitslohn erhalten, so ist auch dieser Verdienst grundsätzlich anrechnungsfähig. Es ist sogar der Verdienst anrechnungsfähig, den der Arbeitnehmer böswillig nicht erwirtschaftet, obwohl er ihn zumutbar erwirtschaften könnte.
Wie funktioniert die Anrechnung?
Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich die Anrechnung immer und stets auf den gesamten Lohn bezieht. Genau diese Frage hat das Bundesarbeitsgericht klarstellend mit Nein beantwortet. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts gilt folgendes:
„Nach § 615 S.2 BGB ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht.“
Annahmeverzugslohn nur in Relation anzurechnen
Richtigerweise ist der neue Lohn daher nur in Relation abzuziehen, was natürlich auch einen vollständigen Abzug beinhalten kann.
Abzuziehen ist nur derjenige Zwischenverdienst, den der Arbeitnehmer während der Arbeitszeit erzielt, in der er im Annahmeverzugszeitraum beim alten Arbeitgeber hätte arbeiten müssen. Die Gesamtberechnung orientiert sich also an der Höhe des Arbeitslohns, berücksichtigt aber auch die Arbeitszeit.
Gegenüberzustellen ist der Arbeitslohn für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit statt dessen erworben hat.
Keine Pauschale Gegenüberstellung von Arbeitslohn, sondern Einzelfallbetrachtung
Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde. Anders ausgedrückt:
Hat der Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis bei einer Teilzeitstelle von 20 Stunden pro Woche 4000,00 € brutto verdient und hat er nun im Annahmeverzugslohn-Zeitraum bei seiner neuen Arbeitsstelle mit einer Vollzeitstelle von 40 Stunden pro Woche 4000,00 € verdient, so ist nicht der gesamte Lohn abzuziehen, sondern eben nur die Hälfte. Denn in den beim alten Arbeitgeber gearbeiteten 20 Stunden (die er nunmehr beim neuen Arbeitgeber gearbeitet hat) hat er ja lediglich 2000,00 € verdient. Der Arbeitnehmer bekommt also 4000,00 € brutto von seinem neuen Arbeitgeber und weitere 2000,00 € brutto von seinem alten Arbeitgeber, da er sich diesem gegenüber nur 2000,00 € anrechnen lassen muss.
Man kann also nicht hingehen und pauschal die gesamten Bezüge, die ein Arbeitnehmer im Annahmeverzugslohn-Zeitraum erwirtschaftet, vom Annahmeverzugslohn abziehen. Beim Arbeitslosengeld ist dies noch unproblematisch, da dieses ja gerade anstelle des Arbeitslohns gezahlt wird. Unproblematisch ist es auch, wenn zwei Vollzeitstellen, die noch zur gleichen Tageszeit zu erbringen waren, gegeneinander gestellt werden.
Bei zwei Halbtagsstellen kann es jedoch schon fraglich werden. Hier kann man sich als Arbeitnehmer sehr gut auf den Standpunkt stellen, dass die zweite Halbtagsstelle, wenn sie denn nicht zur gleichen Tageszeit erbracht wird, eben gerade nicht durch „anderweitige Verwendung seiner Dienste“ im Sinne des § 615 BGB erworben wurde, sondern eben zusätzlich, so nach dem Motto: Selbst wenn Du mich nicht gekündigt hättest, hätte ich diese 2. Stelle angenommen.
Als Beispiel nehmen wir einen Arbeitnehmer, der zunächst Teilzeit vormittags gearbeitet hat und nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Teilzeitstelle in den Abendstunden annimmt. Hier kann man nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts durchaus dahingehend argumentieren, dass dies nicht durch anderweitigen Einsatz der Arbeitskraft im Rahmen der freigewordenen Arbeitszeit geschah, sondern auch passiert wäre, wenn die Arbeitskraft im Vormittagsbereich nicht frei geworden wäre. Deutlich wird dies insbesondere, wenn es schon ein laufender Nebenjob war, vor Ausspruch der Kündigung.
Es ist also stets eine Frage des Einzelfalls, wie die Anrechnung beim Annahmeverzugslohn konkret zu erfolgen hat. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 24.02.2016 (5 AZR 425/15) stärkt dabei in jedem Fall die Arbeitnehmerrechte.
Sie sollten daher stets prüfen, ob Ihr Arbeitgeber den Annahmeverzugslohn richtig berechnet hat. Gerne sind wir Ihnen hierbei behilflich.
Lars Kohnen
Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg