Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 22.06.2016
In besagter Entscheidung beschäftigte sich das LArbG Baden-Württemberg mit den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung im Sinne des § 626 I BGB. Hiernach kann ein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Gericht beschäftigte sich insbesondere mit der Frage nach dem wichtigen Grund.
Beleidigung durch öffentliche Verwendung von Emoticons
Grundlage für den Rechtsstreit war eine außerordentliche Kündigung, die die Beklagte gegen den Kläger ausgesprochen hatte und welche sich auf eine Beleidigung der Vorgesetzten des Klägers durch diesen mittels der Benutzung von sogenannten Emoticons stützte.
Der Kläger hatte bei Facebook in der Kommentarleiste unter dem Foto eines Kollegen folgende Konversation mit anderen Kollegen und Freunden geführt:
C. H.: 6 Wochen gelben Urlaubsschein.
M. I.: Hahahaha hahahaha
L. F.(Kläger): Lars Ricken sags nicht er kommt im Oktober wieder!!!
M. I.: Was Oktober ich ab gedacht in Dezember!!!
L. F.(Kläger): Hahhahhahahaha
L. F.(Kläger): „Das Fette dreht durch!!! “
M. I.: Das Spanferkel meinst du!!!!!
L. F.(Kläger): Hahahahah
L. F.(Kläger): Und der kopf auch!!! “
C. H.: wat nüü a nü lös hier?? krank schreiben is wohl mode geworden bei a., seit schonny nicht mehr da ist
L. F.(Kläger): Eyyyy keine Namen !!!! zuviele und hier!!!!
Den Vorwurf der Beleidigung stützte der Arbeitgeber insbesondere auf die Verwendung des Schweinekopf-Emoticons und des Affenkopf-Emoticons, das allerdings von beiden Streitparteien offenbar als Bärenkopf interpretiert worden ist. Diese seien als Synonyme für Vorgesetzte verwendet worden. Dass bestimmte Vorgesetzte gemeint gewesen seien, gehe daraus hervor, dass diese korpulent (Das fette Schwein), beziehungsweise mit groben Gesichtszügen ausgestattet (Der Bärenkopf) seien.
Der Kläger entgegnete auf den Vorwurf, es seien nicht Vorgesetzte mit den Emojii gemeint gewesen und des Weiteren habe es sich um eine Insider-Konversation in einem geschützten Raum gewesen.
Grundsätzliche Bewertung des Gerichts
Sowohl das Arbeitsgericht in erster Instanz, als auch das LArbG in vorliegender Entscheidung haben eine Beleidigung angenommen. Es sei grundsätzlich möglich, mittels Emoticons Beleidigungen auszusprechen. Insbesondere „das fette Schwein“ sei eine schwerwiegende Herabsetzung. Es sei unerheblich, ob das Wort „Schwein“ ausgeschrieben sei oder als Emoticon vorliege, da es im allgemeinen Gebrauch unstrittig als Beleidigung erkannt werde. Auch können derartige Beleidigungen grundsätzlich gewichtige Verstöße gegen die Rücksichtnahmepflicht gegenüber Arbeitgebern gemäß § 241 II BGB sein und somit als Grundlage für eine Kündigung im Sinne des § 626 I BGB dienen.
Konkrete Beleidigung von Vorgesetzten
Nach Dafürhalten des Gerichts ginge aus dem Kontext auch hervor, dass es sich bei den Beleidigten um Vorgesetzte handele. Auch die Argumentation des Klägers, dass es sich um eine Insider-Konversation handele träfe nur teilweise zu, da zwar Codes verwendet wurden, diese aber von einem breiten Publikum klar als Beleidigungen erkannt werden könnten. Auch fand die Konversation eben nicht in einem geschützten Raum, sondern in einer öffentlich einsehbaren Chronik, die nicht einmal dem Kläger selbst gehörte, statt. Facebook sei, anders als leider vielfach vermutet, kein rechtsfreier Raum. Ein gewichtiger Grund, der eine Kündigung rechtfertigen kann, wurde demnach angenommen.
Interessenabwägung zugunsten des Klägers
Zusätzlich müsste aber auch die Interessenabwägung der Streitparteien zu Ungunsten des Klägers ausfallen, sodass eine Weiterbeschäftigung durch Zerrüttung des Verhältnisses der Beklagten nicht mehr zugemutet werden könne. Hierbei musste insbesondere berücksichtigt werden, dass der Kläger eine Behinderung der Stufe 20 hat und zudem ein Familienmitglied zu Hause pflegt. Eine Kündigung würde ihn deshalb besonders schwer treffen. Zudem hat der Kläger schon seit 16 Jahren in dem Betrieb gearbeitet, ohne dass je ein derartiges Fehlverhalten beanstandet wurde. Es sei davon auszugehen, dass bei einer Abmahnung eine weitere Verfehlung nicht zu erwarten sei. Die außerordentliche Kündigung sei also im Ergebnis sozial nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 II KSchG gewesen. Die Berufung wurde folgerichtig vom LArbG abgewiesen.
Fazit
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Facebook kein rechtsfreier Raum ist, in dem Beleidigungen unter dem Deckmantel der Anonymität keine Konsequenzen haben. Auch die Verwendung von Emoticons kann zur Beleidung geeignet sein. Darüber hinaus müssen aber im Sinne des § 626 I BGB immer die Besonderheiten des Einzelfalls berücksichtigt und eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall hat das Gericht diese Interessenabwägung zugunsten des Klägers bewertet. Die Kündigung war demnach nicht rechtmäßig. Wäre der Kläger sozial nicht so schutzwürdig gewesen und hätte das Arbeitsverhältnis nicht schon so lang beanstandungsfrei bestanden, so wäre die Interessenabwägung wahrscheinlich anders ausgefallen.
Quelle: LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16